
In Deutschland war der Name Sanjeev Gupta bisher nur Leuten, die sich in der Stahlindustrie gut auskennen, ein Begriff. Das hat sich am Freitag schlagartig geändert, denn der britische Stahlunternehmer indischer Abstammung greift nach einem der ganz großen Namen der deutschen Industrie: Gupta, 49 Jahre, will das komplette Stahlgeschäft von Thyssen-Krupp kaufen. Am Freitag gab er überraschend eine Übernahmeofferte bekannt. Bislang ist sie unverbindlich, doch Gupta lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm ernst ist mit dem Vorstoß.
Thyssen-Krupp, der finanziell angeschlagene Traditionskonzern aus Essen, ist zwar nur noch ein Schatten früherer Glanzjahre. Aber die deutsche Industrie-Ikone aus dem Ruhrgebiet ist noch immer der größte Stahlproduzent Deutschlands und die Nummer zwei in Europa. Das Stahlgeschäft ist hochdefizitär und lastet auf dem Konzern. Aber die Stahlsparte beschäftigt weiterhin 27.000 Mitarbeiter, gut 25.000 davon in Deutschland und davon wiederum die allermeisten an Rhein und Ruhr. In Duisburg, Bochum und Dortmund ist Thyssen-Krupp immer noch ein wichtiger Arbeitgeber.
„Der Mann, der aus Rost Gold macht“
Wie unvermittelt das Kaufangebot von Gupta kam, das zeigt der Blick auf den Aktienkurs von Thyssen-Krupp: Die Notierung sprang nach Bekanntgabe der Offerte zu Handelsbeginn am Freitagmorgen zeitweise um 25 Prozent nach oben – und das, obwohl der Interessent aus Großbritannien in einer knappen Mitteilung noch nicht einmal einen vorläufigen Kaufpreis nannte. Doch Gupta gibt sich selbstsicher. Er sei überzeugt, dass er „der richtige Partner“ für die Stahlsparte von Thyssen-Krupp sei, sagte er am Freitag. Und zwar in jeder Hinsicht: „ökonomisch, sozial und was die Umwelt angeht“.
Wer ist dieser Mann, der wie aus dem Nichts zum größten Player in der deutschen Stahlindustrie werden will? Die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ nannte ihn einmal – halb bewundernd, halb skeptisch – einen Mann, „der offenbar das Talent hat, aus Rost Gold zu machen“. Andere in Großbritannien bezeichnen ihn als den „Retter des Stahls“, weil er vor allem marode Stahlwerke aufgekauft und saniert hat.
Im Jahr 2013 kaufte er sein erstes Stahlwerk
Der Aufstieg Guptas zum Stahlbaron ging jedenfalls schwindelerregend schnell: Noch vor wenigen Jahren war er ein zwar erfolgreicher, aber auch in seinem Heimatland weithin unbekannter Rohstoffhändler. Im Jahr 2013 kaufte er ein Stahlwerk in Wales und wurde damit vom Händler zum Hersteller. Es folgte eine ganze Serie weiterer Übernahmen, die ihn binnen weniger Jahre zu einem der Großen in der Stahlbranche gemacht haben. Seine Liberty Steel kommt nach eigenen Angaben auf einen Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro weltweit und beschäftigt 30.000 Mitarbeiter auf vier Kontinenten. Zum Vergleich: Die Stahlsparte von Thyssen-Krupp erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von rund 9 Milliarden Euro.
Gupta stammt aus einer Industriellenfamilie. Sein Vater hatte, britischen und indischen Medienberichten zufolge, eine Fahrradfabrik, sein Großvater war Stahlunternehmer in Indien. Er selbst studierte an der britischen Eliteuniversität Cambridge Wirtschaftswissenschaften und begann noch als Student im Jahr 1992 mit dem Aufbau seines Rohstoff-Handelsgeschäfts. Seine Holding-Gesellschaft GFG Alliance, zu der auch Liberty Steel gehört, ist bis heute nicht an der Börse, sondern ein Familienunternehmen.
Der ganz große Deal
Thyssen-Krupp soll jetzt der ganz große Deal für Gupta werden. In einer kurzfristig anberaumten Telefonpressekonferenz schwärmte er am Freitag von den großartigen Chancen des Zusammenschlusses. „Heute ist ein besonderer Tag“, begann Gupta. Er werde für eine bessere Auslastung der Thyssen-Werke und für Klimaschutz in der energieintensiven Stahlerzeugung sorgen. „Ich bin ein langfristiger Investor“, versicherte der Brite.
Guptas Ausführungen blieben allerdings recht vage. Zahlen zu möglichen Verbund- und Kostenvorteilen durch den Zusammenschluss nannte er nicht. Ob Arbeitsplätze bei Thyssen-Krupp bedroht wären, wollte er ebenfalls nicht sagen, verwies aber darauf, dass es zwischen Thyssen-Stahl und Liberty wenige Überlappungen gebe. Seine Versprechungen blieben allgemein: Er habe immer mit den Belegschaften seiner Unternehmen gearbeitet und niemals gegen sie. Die Gewerkschaft IG Metall reagierte freilich mit Ablehnung auf den Kaufinteressenten – auch weil dessen Finanzkraft angezweifelt wird.
Guptas intransparente Finanzen
Tatsächlich könnte sich die intransparente Struktur von Guptas Unternehmensgruppe als Problem erweisen. Eine konsolidierte Bilanz seines Konglomerats GFG Alliance gibt es nicht. Die Art und Weise, wie er seine zahlreichen Übernahmen in den vergangenen Jahren finanziert hat, ist durchaus umstritten. Sie gilt Beobachtern als undurchsichtig. Eine wichtige Rolle spielte dabei der australische Finanzier Lex Greensill, dessen Aktivitäten ebenfalls kontrovers gesehen werden. Bei Thyssen-Krupp steht laut Gupta nun Credit Suisse als führender Finanzierungspartner bereit.
In der Essener Zentrale von Thyssen-Krupp war man am Freitag erst einmal angetan vom Anstieg des Aktienkurses. Es würden aber weiter auch Gespräche mit anderen Interessenten für die krisengeschüttelte Stahlsparte geführt, teilte das Unternehmen mit. Bereits 2019 war eine geplante Fusion mit dem britischen Rivalen Tata am Veto der EU-Wettbewerbshüter gescheitert. Außer Gupta zählt vor allem der schwedische Stahlkonzern SSAB zu den Interessenten. Genannt werden außerdem der deutsche Wettbewerber Salzgitter und Baosteel aus China. Selbst ein neuer Anlauf von Tata gilt als denkbar.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier winkt dagegen ab. Gewerkschafter fordern zwar eine staatliche Beteiligung am Stahlgeschäft von Thyssen-Krupp. Aber Altmaier verwies diese Woche im Gespräch mit der F.A.S. lediglich auf staatliche Kredite und Bürgschaften als mögliche Hilfen für den klammen Konzern. Eigentümer werde der Staat bei Thyssen-Krupp nicht werden. Altmaier wörtlich: „Regelrechte Verstaatlichungen gehören für mich nicht dazu.
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